Die Erfahrung der Auferstehung für das eigene Leben, die Verwandlung der Trauer und Angst und Mutlosigkeit in Hoffnung und Lebensfreude, das braucht seine Zeit, viel Zeit.
Die Kirche bietet uns 50 Tage an – von Ostersonntag bis Pfingsten um allmählich in die Osterfreude hineinzuwachsen und um zu realisieren, dass das Geschehen vom Ostermorgen unsere Lebenssituation verwandelt – wenn wir tastend zum Osterglauben durchstoßen.

Ostern und die Wunden

Das ist kein Gegensatz.
Brüder und Schwester; das Evangelium schenk uns die „Berührende“ Begegnung des Auferstandenen mit seinem Jünger Thomas.
Nicht ein besonderer Glanz lässt Thomas an den Auferstandenen glauben – sondern seine Wunden – die Male der Nägel, die man Jesus durchs Fleisch getrieben hat. An den Wunden erkennt er Christus. Es ist wirklich wahr: Wo die Wunden sind in meinem Leben – meine Trauer, mein Schmerz – dort ist der Ort Gottes!
Die Not und der Zweifel des Thomas führen ja drängen ihn geradezu diese Wunden, die der Gekreuzigte erlitten hat zu berühren – in der Begegnung mit Jesus der Thomas seine Wunden ertasten lässt, heilt aller Zweifel und er bekennt sich zum Auferstandenen.

Osterfreude im Jahr 2024?

Wie soll das gelingen – in einer Welt, inmitten einer Menschheit die aus so vielen Wunden blutet – Zerstörung, wohin man blickt. Und dazu der Bericht vom tödlich verwundeten Gottessohn?
Da sind die kleinen Wunden; Enttäuschungen, menschliche Reaktionen ohne Respekt und Liebe – ein böses Wort, das mich trifft, von einem Menschen, wo ich es am allerwenigsten erwartet habe …
Und dann sind da die endlosen Meldungen von den großen Verletzungen, die uns umgeben:
Kindesmissbrauch, Geiselnahme, Femizide, Überfälle auf alte, kranke, behinderte Menschen, unzählige Kriege und Gräueltaten, die jede Vorstellungskraft sprengen, Flüchtlingstragödien und Jugendliche, die, kaum selbst der Hölle entronnen sind in den Ländern, wo sie um Asyl ansuchen – anderen schwächeren Menschen die Hölle bereiten …
Nur ein paar Beispiele für so viele Situationen, die nach Erlösung schreien.
Und inmitten dieses Elends hören wir den Schrei fern am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gott, sein Schrei – vermengt sich mit all den verzweifelten Schreien in der Geschichte.
Und wir klagen Gott an – wie kannst du das alles zulassen?
Müssten wir nicht uns selbst anklagen? Wir merken ja, wie sehr wir alle Schuldverdränger sind.
Sind nicht wir es – die mit sofortigem Ende kleiner Bösartigkeiten Ketten der großen Wunden, großen Leids durchtrennen können?
Und ist es nicht Jesus, der uns ein anderes Gesicht Gottes zeigt?
Einen liebenden, geduldig aushaltenden Gott, der unter Verzicht jeglicher Gewalt den Menschen begegnet.
Das können wir so schwer verstehen.
Dietrich Bonhoefer schreibt: Gott lässt sich aus der Welt, die sein Eigentum ist hinausdrängen, ans Kreuz. Gott ist ohnmächtig und schwach in dieser konkreten Welt und nur so ist er bei uns und hilft uns, als der „verwundetet Helfer“.

Ostern – der Sieg der verletzbaren Liebe

Etwas wird deutlich. Liebe ist das Gegenmittel gegen alle Formen des Todes.
Sie ist verletzlich, verwundbar, aber sie ist immer stärker als die Vernichtung.
Darum fürchten die Machthaber der Welt ja auch so sehr Menschen, die der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe verpflichtet sind …
Die Güte ist die Kraft, die unsere Welt am grundlegendsten verändert.
Ostern feiern heißt: Anerkennen, dass es eine fehlerlose, eine makellose Welt und Glaubensgemeinschaft nicht gibt. Die Wunden, die Zerbrechlichkeit sind Teil des Lebens. Sie sind wie ein Brennglas, das alles Schwere, Schmerzvolle bündelt und in den Horizont der Zukunft stellt, die uns (noch) nicht zugänglich ist (die Auferstehungsherrlichkeit).

Liebe macht schön

Ein kleines Mädchen trägt eine Puppe, ganz zerzaust, schmutzig, ja zerlumpt. Eine Dame sagt zu ihm: Willst du nicht eine neue, schöne Puppe? Die Kleine, ganz erstaunt sah ihre Puppe an, schloss sie plötzlich fest in ihre Arme und drückte sie an sich. Dann sah sie die Frau an und sagte mit strahlendem Blick: „Schau, jetzt ist sie wieder ganz schön!“
Oft ist unser Leben durcheinander, zerzaust. Ostern heißt, dass Gott unser Leben, uns selbst fest an sein Herz drückt damit wir wieder ansehnlich werden; uns selber mögen können. Gerade, wenn wir uns selbst alles andere als schön finden. Lasst uns nicht im Hässlichen steckenbleiben, nicht die um uns selbst kreisen, sondern uns ihm in die Arme werfen um „schön“ und „heil“ zu werden.

Euch allen ein frohes Osterfest.

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